Der nachfolgende Artikel knüpft an meinen damaligen Artikel (03/2008) und der aktuellen Google-Diskussion bzgl. der Einführung der personalisierten Suche für nicht eingeloggte Nutzer an. Das die persönliche Suche ein klares Prio-Produkt bei Google darstellt ist keine Besonderheit und wurde auch auf den einschlägigen Konferenzen oft genug vermittelt. Ich stellte mir gar oft die Frage, welche Services Google noch alles so "um die Suche" bastelt, um dem Nutzer einen Grund zu geben sich einen Google Account zuzulegen und diesen auch regelmäsig zu nutzen…
Heute…. erschliesst sich mir der kürzlich vollzogene Schritt – das Suchverhalten aller Cookie-fähigen Clients für 180 Tage zu personalisieren – in einer logischen Konsequenz aus wirtschaftlich getriebenen Faktoren (Steigerung des CPC durch Behavioral Targeting) aber überwiegend auch aus Relevanzgründen.
Ich bin überzeugt davon, dass die wirtschaftlichen Interessen bei dieser Umstellung nicht der ausschlaggebende Grund waren, sondern vielmehr die Erfahrung und gesammelten Messdaten. Diese Daten haben Google nun ausreichend Beleg dafür gegeben, dieses "Feature" im Sinne der Relevanzsteigerung für alle Nutzer anzubieten.
Stellt das Relevanz-Team einer Suchmaschine fest, dass eine Maßnahme einen signifikanten Anstieg der Relevanz einer Ergebnisseite herbeiführt und sich dieses Verhalten global ausrollen lässt, ist die Verlockung groß eine solche Maßnahme auszurollen… und wenn es zu dem noch in die wirtschaftlichen Ansichten der Aktionäre passt, erst recht.
Dass es genügend Testdaten gegeben hat, zeigen uns Zahlen, welche nur von unabhängigen Quellen eingefangen wurden, demnach wurde in den USA bereits jede 2te Query von einem eingeloggten Nutzer durchgeführt. In Frankreich sollen es 30% sein und im paranoiden Deutschland immerhin knapp 20%. Ein Zeugnis für die erfolgreichen Strategien den anonymen Nutzer in einen bekannten Google-Nutzer zu verwandeln.
Spannend wird es, wenn versucht wird, persönliche Profile anhand bestehender Profile zu harmonisieren, um deren lückenhaftes Suchverhalten besser vorhersehen zu können. Zum Beispiel mit der Prognose eines Search Refinements aufgrund von vorhandenen Daten – jemand sucht nach "zelt" und innerhalb von 180 Tagen sucht die Person nach "urlaub italien", dann errechnet sich anhand ähnlicher, vorhandener Suchprofile eine Wahrscheinlichkeit von 60%, dass der Nutzer im Anschluss an "urlaub italien" eine Anfrage stellt die da lautet "zeltplatz italien meer"… dieses Refinement könnte man nun direkt in der Ergebnisseite von "urlaub italien" anzeigen lassen, noch bevor der Suchende es eingetippt hat đ Eine Art Google Orakel, nur besser.
Welche Auswirkungen hat diese Umstellung nun auf den Bereich SEO?
Das persönliche Klickverhalten spielt laut Google eine maßgebliche Rolle. Wenn wir auf der ersten SERP eine Klickrate von 93% im Schnitt generieren, dann besteht die Wichtigkeit in der Optimierung, den Kunden in die Sichtbarkeit der ersten Seite bei seinem Kunden zu bringen. Gelingt dies, gilt es die Klickraten zu optimieren. Klassische Elemente wie URL, Snippet und Titel mit all ihren Facetten werden eine zunehmend große Rolle spielen. Auch die Erschaffung von Online Brands und deren Markenbildung beim Google-Nutzer tragen zur Verbesserung der Klickraten maßgeblich bei.
Angenommen die persönliche Suche bevorzugt einen spezifischen Host bei der zukünftigen Suchanfrage im Ranking, dann wird die SEO-Schlacht, wie so oft, im Longtail geschlagen. Denn auch ein Klick bei einer extremen Longtail-Query wird dem Host einen Pluspunkt verschaffen, den er im Short-Head bitter notwendig haben wird… Bedient der Host keinen Longtail, passend zu seiner Zielgruppe, werden die Anstregungen in Sachen Markenbildung so manches Budget zum Glühen bringen. Je mehr relevante "Klicks" die zu optimierende Seite bei seiner Zielgruppe generiert, desto einfacher hat sie es bei nachfolgenden Suchanfragen. Conversion getriebene Firmen werden natürlich alles daran setzen, dass der Suchende bereits bei der ersten Anfrage direkt zum Kunden gewandelt wird, ohne erneut suchen zu müssen.
Was ist ein statisches Ranking-Reporting (Software) noch wert?
Nichts, da dieses Reporting genau nur einen Nutzer simuliert, den Profillosen, Unspezifischen, ja man könnte den Nutzer "suchverhaltensgestört" bezeichnen, da dieser keine natürliche Suchhistorie aufweisen kann. Die Kunst eines guten SEO Reportings wird es in Zukunft sein, eine Art Standardprofil der jeweiligen Zielgruppe zu entwerfen und deren Positionen zu begutachten bzw. eine Durchschnittsposition aller Nutzer zu errechnen. Im Zuge des allgemeinen Unverständnis über die Funktionsweise von Google und der komplexen Strukturen wie man das oben genannte wohl abbilden solle, wird sich der klassiche Ranking-Report, als Abbild einer Momentaufnahme eines suchverhaltensgestörten Google-Nutzers aber noch eine ganze Weile halten. Sofern nichts "Neues" kommt, werden sich bei vielen wohl Meßwerte der bekannten Tracking-Systeme als Erfolgsmaßstab durchsetzen – d.h. allerdings dass man erst nach dem Klick in der SERP schlauer sein wird, davor ist man im Zweifel blind.
Das Standardprofil eines Suchenden!
Es stellt sich die Frage wieviele Klick-Vorlieben ein Nutzer pro Keyword so haben kann – ich tippe auf 1 – 599. Ok, ein personalisiertes Suchergebnis auf einen Brand/Host kann sich frühestens aus dem zweiten Klick auf einen Host bei unterschiedlichen Suchbegriffen bilden. Bei einem durschnittlichen Suchvolumen in Deutschland von 100 Suchanfragen / Monat ergeben sind 600 Anfragen pro 180 Tage – jede Suchanfrage, nach dem ersten Klick könnte theoretisch eine Abfrage sein, welche vom vorrangeschrittenen Suchvorgang beeinflusst wird. Dabei gibt es eine thematische unterschiedliche Wahrscheinlichkeit, je nachdem, welches Themengebiet betroffen ist. (siehe Suchverhalten in Deutschland). Vorwiegend davon betroffen sind:
- wiederkehrende Suchanfragen
- Suchen in der gleichen Nische bzw. im gleichen Themengebiet
- Suchanfragen, welche von themenübergreifenden Content-Portalen bedient werden können
Fazit: Ich bin gespannt, welche Neuerungen diese Entwicklung hervorrufen wird. Positiv ist, dass bei diesem Konzept der "kleine" Affiliate durch die Erstellung von Longtail-Inhalten immernoch die Chance bekommt eine signifikante Rolle in der Websuche spielen kann.